Die Multiples als Antennen – Erweiterte Radien und neue Deutungsebenen 1970 verglich Joseph Beuys das Schaffen und Verteilen von Auflageobjekten mit dem Setzen von Antennen, die vielerorts Querverbindungen zu seinem umfangreichen Werk schaffen. Mit der Entscheidung, Editionen herauszugeben, bezweckte Beuys, dass die Multiples über Museumsräume hinaus und mitten in Lebensbereiche hineinwirken. Damit trugen die Multiples maßgeblich dazu bei, die Trennlinie zwischen Kunst und Alltag aufzuheben. Als Objekte verkörpern sie zentrale Gedanken von Beuys zur Aktivierung jeder und jedes Einzelnen, mit dem Ziel einer gerechteren und kreativ freien Gesellschaft.
Auf diesen Anspruch beruft sich das Ausstellungskonzept „Ich strahle aus. 100 Jahre Joseph Beuys“ und stellt die Wirkkraft der Multiples im Heute auf die Probe. Das Zitat von Joseph Beuys „Ich strahle aus“ wird dabei buchstäblich umgesetzt: Die Multiples verteilen sich in München an sieben Orten, wo sie nicht für ein Kunstpublikum erreichen, sondern auch durch zufällige Begegnungen entdeckt werden können. Im neuen Kontext spielen die Architektur und der symbolische Gehalt der jeweiligen Schauplätze in die Interpretation der Multiples genauso hinein, wie die individuellen Assoziationen, die Besucherinnen und Besucher mitbringen. Objekte und Orte vereinen sich zu neuen Gedankenräumen und erweitern tradierte, kunsthistorische Deutungsebenen um aktuelle Fragestellungen. Die Kooperationsorte spiegeln dabei unterschiedliche Lebensbereiche der Gesellschaft im 21. Jahrhundert, wobei die konzentrierte Auswahl zwar ein gewisses Spektrum der Öffentlichkeit abdeckt, aber nicht streng repräsentativ zu verstehen ist. Es geht um Berührungspunkte mit einer globalisierten, multikulturellen und differenziert denkenden Gemeinschaft, die auch anderswo präsent ist.
Die Multiples von Joseph Beuys werden an folgenden Orten in München neu erfahrbar:Center for Advanced Studies der LMUgate - Garchinger Technologie- und GründerzentrumHaus der Kulturen und ReligionenMunich ReStiftung Kick ins LebenTheatiner FilmtheaterWeiße Rose Saal im Justizpalast
Die Gegenüberstellung der Multiples mit den spezifischen Inhalten und Historien der ausgewählten Orte deckt auch Spannungsverhältnisse auf, die gleichermaßen Teil unserer komplexen Gesellschaftsstrukturen sind und im Sinne von Beuys einer stetigen Auseinandersetzung bedürfen. So verweist beispielsweise das Multiple „Objekt zum Schmieren und Drehen“ explizit auf Reibungspunkte und den aufzubringenden Kraftakt, welcher der Entstehung eines neuen, noch nie dagewesenen Ortes – dem Haus der Kulturen und Religionen, innewohnt. Auch das Multiple „Schweigen“ bringt vielschichtige Assoziationen im Kontext seines neuen Ambientes, dem Theatiner Filmtheater, hervor: Ging es bei dem Objekt ursprünglich um die Zensur künstlerischer Freiheiten, so lässt es sich aktuell mit der Situation der Kunst- und Kulturlandschaft verbinden, um die es durch die Pandemie still geworden ist.
Forschen, Sichtbarmachen und Vernetzen – die BeuysCityMapDie Auseinandersetzung mit den Multiples von Joseph Beuys knüpft an einen Forschungsschwerpunkt in den Pinakotheken an, der seit einer großzügigen Schenkung von über 250 Beuys-Multiples 2009 stetig ausgebaut wird. Im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung und Sichtbarmachung des Bestandes wurde 2014 eine eigene Webseite für die Beuys-Multiples der Pinakotheken gelauncht. Die International Patrons of the Pinakothek haben das damalige Forschungsprojekt finanziell getragen und übernehmen auch anlässlich des Jubiläums die Komplettfinanzierung der Ausstellung sowie der dazugehörigen Maßnahmen, die den Beuys-Schwerpunkt weiter festigen: So wird die seit sieben Jahren aktive Webseite um neue Multiples erweitert, zu denen es online bislang wenig zugängliche Informationen gab. Damit wird bewusst ein Zeichen für die Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeit im digitalen Raum gesetzt und die Erreichbarkeit der Inhalte weit über München hinaus ermöglicht. Während des Ausstellungszeitraums wird die Webseite auch zum digitalen Pendant der mehrere Orte umfassenden Präsentation. Dabei geht die BeuysCityMap mit dem Projektstart online: Sie vereint alle teilnehmenden Standorte visuell auf einer Stadtkarte und ermöglicht es, Besucherinnen und Besuchern davon ausgehend die Orte anzusteuern. Die einzelnen Kooperationspartner bieten im Verlauf der Ausstellung Programmpunkte an, die das Multiple in ihr örtliches Geschehen integrieren. Nicht jeder Ort wird zu jeder Zeit zugänglich sein, was jedoch Teil des Reflexionsprozesses ist. Somit ist die BeuysCityMap Ankerpunkt sowohl für die Planung von Besichtigungen der BeuysCityMap vor Ort, als auch eigenständige Plattform, die die inhaltlichen Verknüpfungen der Orte und Objekte untereinander im Überblick auffächert.
In den Beuys-Sälen der Pinakothek der Moderne wird während der Ausstellungsdauer eine Lounge als Verweilort und Ausgangspunkt für Führungen eingerichtet, wodurch auch ein analog orientiertes Publikum Zugang zum Projekt erfährt. Darüber hinaus werden erstmalig Beuys‘ "Sandzeichnungen" ausgestellt. Die Druckgrafiken zeigen von Beuys in Sand gezeichnete Motive als auch den Künstler selbst, fotografiert von Charles Wilp, der ihn auf seiner Reise nach Kenia 1974 begleitete. Joseph Beuys tritt uns in diesen Aufnahmen in Badehose entgegen, was einen spannungsreichen Bruch mit dem vorherrschenden Bild von ihm als schamanischer Sender erzeugt.
Kuratiert von Tatjana Schäfer und Bernhart Schwenk
ÖFFNUNGSZEITENWir haben heute noch bis 20:00 Uhr geöffnet.
Täglich außer Montag: 10:00 - 18:00 UhrDonnerstag: 10:00 - 20:00 UhrEINTRITTSPREISERegulär: 7.00 €Ermäßigt: 5.00 €Sonntags: 1.00 €ADRESSETheresienstraße 35A80333 München
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