Mit dem Titel „Istanbul und sein armenisches Erbe“ hinterfragt der Frankfurter Städelschule Absolvent Deniz Alt in seinen Gemälden, Installationen und Texten die Widersprüchlichkeit der sinnlichen Wahrnehmung des Menschen. Seit der Gründung dieser Stadt am Bosporus war sie ein Ort vieler Kulturen. Eine kosmopolitische Stadt, in der eine lange Zeit die Vielfalt und Aktualität von Kunst, Kultur und Bildung gefördert wurde. Große Brüche , politische Verwerfungen und Abschottung von modernen Entwicklungen sind mitverantwortlich für den Niedergang der Hochkultur dieser Stadt.Diese Stagnation führte zu einer nachhaltigen Schwächung der Bildungsarbeit und damit auch der Erinnerungskultur. Ein Teil dieser Reduktion betrifft das armenische Erbe dieser Stadt. Diese Reduktion aber macht neugierig, da sie auch Neuem Platz machen kann. Diesen Platz sucht der Künstler in malerischer Reduktion, er fasst das „vergangene Moderne“ und die Schnelllebigkeit unserer Zeit und lässt sie buchstäblich verlaufen. Überzeichnete Figuren und verwischte Architektur dominieren, wie auch die Farben rot, schwarz, weiß, aber auch kraftvolle Farben wie orange und grün kehren in seinem Werk wieder. Seit 18 Jahren befasst sich Deniz Alt, Deutsch-Türke mit armenischen Wurzeln, intensiv mit dem Schicksal der Armenier und ihrem kulturellem Wirken unter der Herrschaft der Osmanen. Ihr tragisches Schicksal beeinflusst die Politik der Gegenwart und ist bei genauerer Betrachtung mitunter einer der Fluchtursachen von Heute.
Die ausgewählten Arbeiten stehen beispielhaft für die Auseinandersetzung mit dem Thema und spiegeln seine ganz persönliche Sicht und sein persönliches Schönheitsempfinden wider. Dabei sind die Bilder von Deniz Alt nicht bloße Wiedergaben zeitgenössischer oder historischer Werte oder Ereignisse, Häuser und Räume. Die aufgegriffene Thematik hat an seiner Aktualität und Brisanz bis heute nichts verloren. Der Künstler geht dabei auch der Frage nach der eigenen Identität und der Identität der Gesellschaft nach.
Parallel zu den figurativen und abstrakten Gemälden, Installationen und Texten erweitert Deniz Alt sein Oeuvre in seiner Istanbul Landschaftsserie. Diese Landschaftsbilder beinhalten, wie seine figurativen Arbeiten, eben das Konzept der Erinnerungskultur. Auf privaten Reisen fotografiert und dokumentiert der Künstler alte verfallende Herrschaftshäuser, die der modernen Architektur weichen muss, von innen und außen. Dieses Weichen bedeutet Veränderung. Diese Veränderung bildet die Basis unserer niemals zum Stillstand kommenden Wahrnehmung von Menschen und Gesellschaften. Es sind also Zeitfragmente, die wir in Deniz Alts Werken betrachten. Die dargestellten Räume und Häuser in den Landschaftsbildern mögen schon in diesem Augenblick, in dem der Künstler diese festgehalten hat, nicht mehr existent sein. Ebenso die Menschen, die ihren Ausdruck in den Porträts und figurativen Elementen finden. In seinen Reisen nach Istanbul, Buenos Aires oder Montreal erschloss sich dem Künstler auf der Suche nach einer objektiveren Ausdrucksweise eine persönliche Wanderungspur, und es gelang dem Künstler, anatolische Spuren, vorwiegend armenische, in Städten auf anderen Kontinenten zu finden. In dieser Ausstellung versucht der Künstler, das vielfältige Erbe armenischer Architekten der kosmopolitischen Metropole Istanbul zu greifen. Armenische Architekten, besonders die Familie Balyan, haben die osmanische Architektur in dieser Stadt geprägt. Ihr Erbe könnte helfen, wieder Brücken auch in unsere Gegenwart zu bauen. Über 500 Jahre dienten armenischen Architekten den osmanischen Herrschern als Bauherren und Architekten und hinterließen in allen Stadtteilen und darüber hinaus auch in den anatolischen Landesteilen ihre Handschrift. Eine lange Epoche der gemeinsamen kulturellen Vielfalt prägte bis zum Jahre 1908 diese osmanische Hauptstadt. Ist das Istanbul der letzten 500 Jahre eigentlich auch eine armenische Stadt, und was ist vom armenischen Erbe übrig? Diese Frage geht der Künstler Deniz Alt in seinen neuen Werken nach.