Die Erweiterung des Museumsgebäudes erlaubte es 2015, die Glassammlung der Familie Liaunig erstmals einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In eigens dafür konzipierten Vitrinen findet eine Auswahl von rund 120 Gläsern aus den verschiedenen Epochen ihren Platz. Der Bogen spannt sich von den Anfängen europäischer Glaskunst in Venedig um 1500 bis zu den Tagen des Wiener Kongresses um 1815 und zeigt, wie vielfältig und innovativ das Material Glas gestaltet wurde.Der Glanz der Renaissance lässt sich am besten durch die Tazza aus dem Service der Medicischen Päpste darstellen. Die feinen durchsichtigen Gläser waren zu jener Zeit genauso kostbar wie Gold und Edelsteine. Herrscher wie Ferdinand von Tirol mussten den Dogen von Venedig um zeitweilige Überlassung der berühmten Glasmacher bitten, da diese mehr oder weniger in Murano festsaßen.
Während man diese zarten Gläser nur bemalen oder mit dem Diamanten ritzen konnte, haben findige Alchemisten des 17. Jahrhunderts nicht nur das Goldrubinglas erfunden, sondern veränderten auch den Glasfluss so, dass man ein hartes, dickeres Glas für die Gravur mit dem Kupferrad erzeugen konnte, das vor allem nördlich der Alpen seinen Siegeszug antrat. Hier ist eine Inkunabel der Glaskunst mit der Scheibe von Caspar Lehmann vertreten, die 20 Jahre lang als Leihgabe im British Museum in London war. Auch technische Verbesserungen – zum Beispiel in Form von wasserbetriebenen Schleifmühlen – erleichterte nicht nur die Arbeit der Graveure der Hochschnittpokale in Schlesien wesentlich. Hier zählen die von Friedrich Winter geschaffenen Gläser neben den Bergkristallarbeiten jener Zeit zu den begehrtesten Objekten.
Die Fürsten und Adeligen im 17. und 18. Jahrhundert bildeten Kunst- und Wunderkammern in ihren Schlössern und die darin vertretenen Gläser verschiedener Meister gewähren Einblicke in die europäische Geschichte. Das breite Spektrum der hoch- und tiefgeschnittenen Pokale, Becher und Schalen, aber auch erlesenes Tafelgeschirr, diente der Repräsentation sowie der Erinnerung an Schlachten, Jagderlebnisse und Lustbarkeiten an den jeweiligen Höfen. Viele bedeutende Ereignisse, wie die Schlacht bei Belgrad mit Prinz Eugen, fanden ihren Niederschlag in meisterlich geschnittenen Pokalen.
Die Sammlung Liaunig wird abgerundet durch die Gläser von Gottlob Mohn und Anton Kothgasser mit ihren in transparent gemalten Ansichten, die die Zeit des Biedermeier und den Wiener Kongress heraufbeschwören, der eine Neuordnung in Europa versuchte. In den Böhmischen Badeorten konnten sich dann der Adel und das betuchte Bürgertum nicht nur erholen, sondern sich auch von herausragenden Meistern der Gravur wie Dominik Biemann portraitieren lassen, zu dessen Kunden neben dem Kaiserhaus und zahlreiche Fürsten auch wohlhabende Familien mit Kindern zählten.
Die hier ausgestellten Gläser bilden einen repräsentativen Querschnitt durch all diese Epochen mit ihren Besonderheiten, Geschichten und eigenwilligen Persönlichkeiten der einzelnen Meister und den unterschiedlichen Techniken der Glaskunst. Die Sammlungspräsentation Gläser von 1500–1850 wird von einem umfangreichen Katalog begleitet, der 2015 publiziert wurde. Regine Kovacek (Ausstellungskuratorin)