Auch für Prof. Dr. Hans Wisskirchen, den Präsidenten der Deutschen Thomas Mann Gesellschaft, ist die Jubiläumstagung etwas ganz Besonderes. „Eine der großen deutschen Literaturgesellschaften Deutschlands, die in Lübeck ansässige Thomas Mann Gesellschaft wird 50 Jahre. Wir wollen das mit einem Fest feiern, das alle Elemente unser bisherigen Tätigkeit vereint: Spannende Vorträge, Einbeziehung von jungen Forscherinnen und Forschern, Führungen, literarische Spaziergänge und einen großen Festakt im Dom. Ich freue mich sehr, dass uns die Ministerin für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig Holstein die Ehre eines Grußwortes gibt. Das zeigt die Wertschätzung, die die Gesellschaft hat und spornt uns an, uns auch in Zukunft für das Literaturland Schleswig Holstein zu engagieren.“
Das Programm des Kolloquiums beginnt am 4.-6. September 2015 in Husum mit der Tagung der Theodor-Storm-Gesellschaft und Thomas Manns Blick auf Theodor Storm. Der im neuen Europäischen Hansemuseum stattfindende zweite Teil, das Herbstkolloquium der Deutschen Thomas Mann-Gesellschaft, steht im Zentrum der Festwoche vom 9.-13. September 2015 in Lübeck. Ihr Höhepunkt ist der Festakt anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Deutschen Thomas Mann-Gesellschaft, welcher am Samstag, den 12.09.2015, im Ostchor des Doms zu Lübeck stattfindet.
Dort werden Frau Weiher, Senatorin für Bildung und Kultur der Hansestadt Lübeck, Frau Spoorendonk, Ministerin Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein, und Frau Dr. Bedenig, Präsidentin der Thomas Mann Gesellschaft Zürich, Grußworte sprechen. Prof. Dr. Wißkirchen hält den Festvortrag „50 Jahre Thomas Mann-Gesellschaft Lübeck“, der durch ein Gespräch zwischen Herrn Prof. Dr. Wißkirchen, Herrn Dr. Eickhölter und Herrn Prof. Dr. Wimmer ergänzt wird. Untermalt wird diese Veranstaltung von den Klängen des Jaurena Ruf Project - Tango Tales, die uns mit Tangomusik zum Träumen einladen.
Inhaltlich widmet sich das Lübecker Tagungsprogramm den Formen eines Bürgertums ‚auf Abwegen’ zwischen den Herausforderungen von ‚Kunst’ und ‚Leben’. In vier Sektionen fokussieren die Referenten diese bei Storm und Thomas Mann gleichermaßen zu entdeckenden Parellelen in Leben und Werk. Heinrich Deterings (Göttingen) beide Tagungsteile einleitender Vortrag „Nicht ganz korrekt“ stellt zunächst beide Autoren als „entlaufene Bürger“ und Storm damit als Geistesverwandten Thomas Manns vor. Friedhelm Marx (Bamberg) verfolgt diese Deutung Storms durch Thomas Mann sodann in dessen großem Storm-Essay von 1930, in dem sich der Lübecker Dichter zugleich den Bedingungen seiner eigenen Autorschaft versichert. Nicht nur Lübeck, auch Husum wird Mann somit zur „geistigen Lebensform“.Dem Doppelspiel von Bürger und Künstler gehen auch die Vorträge von Ole Petras (Kiel) und Jens Ole Schneider (Münster) in der zweiten Sektion nach. Wo der späte Storm und der frühe Thomas Mann von Konflikten erzählen, in denen eine frühmoderne Selbstverwirklichung mit einem brüchig gewordenen bürgerlichen Wertesystem kollidieren (Petras), inszeniert vor allem Manns Frühwerk – auch auf der Suche nach neuen Erzählformen – immer wieder ein „Bürgertum mit schlechtem Gewissen“ (Schneider). Die dritte Sektion widmet sich den Entwürfen dichterischer Wirklichkeiten zwischen neuen Wissens- und Wahrnehmungsformen des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Yahya Elsaghe (Bern) betrachtet Storm und Mann als Zeitzeugen des medizinischen Fortschritts im Umgang mit Krankheiten und Infektionsängsten. Nadja Reinhard (Innsbruck) untersucht den „experimentellen Blick des Jünglings“ im Werk beider Autoren, mit dem die Erzähler Formen „unbefangen-befangener Sinnlichkeit“ zwischen Anziehung und Abstoßung inszenieren. Andrea Bartl (Bamberg) analysiert die „Eigendynamik der Dinge“ im Erzählwerk Storms und Manns vor dem Hintergrund bürgerlicher Sammeltätigkeit des 19. Jahrhunderts einerseits und ökonomischem Diskurs andererseits.
Die vierte Sektion schließlich fragt nach dem Norden als literarischer Heimat beider Dichter. Andreas Blödorn (Münster) verfolgt – immer wieder mit dem Meer-Motiv verbundene – Spuren der Irritation durch Tod und Jenseitsängste im Werk Storms und Manns, die mit Formen bürgerlicher Glaubensgewissheit nicht mehr bewältigt werden können. Bernd Hamacher (Hamburg) kartographiert zuletzt die „literarische Topographie“ Storms und Manns und ihre Bezugnahme auf Vorstellungen und Konzepte vom Norden.
Die vom Rahmenthema unabhängige Sektion „Von Denkfiguren und Klischees“ bestreitet der Kreis junger Thomas Mann-ForscherInnen am Freitagnachmittag. Hier wird die Forschungsgeschichte zu Thomas Mann anhand von gängigen Schlagworten der Mann- Forschung kritisch revidiert und hinterfragt. Matthias Löwe (Jena) geht dem ästhetischen Gegensatz von Realismus und Moderne nach, Regine Zeller (Mannheim) dem autobiographischen Element im Schreiben Manns, Jens Ewen (Jena) dem Konzept der Ironie. Frank Weiher (Düsseldorf) schließlich nimmt die Antithesen Bürger – Künstler und Geist – Leben in den Blick, Tim Lörke (Berlin) Thomas Manns sogenannte „republikanische Wende“ und Bernd Hamacher (Hamburg) zuletzt Manns Versuch einer „Goethe-Imitation“.
Eine Sonderausstellung mit Begleitkatalog zum Thema sowie unterschiedliche Veranstaltungen im Raum Schleswig-Holstein runden das Programm des Jubiläums-Projekts ab. Erstmals können wertvolle Dokumente und Objekte von Thomas Mann und Theodor Storm nebeneinander gezeigt werden. "In unserer Ausstellung steht Thomas Manns Füller neben Theodor Storms Federhalter. Das sind nur zwei der vielen ganz besonderen Exponate, anhand derer wir auf den biographischen und literarischen Abwegen Thomas Manns und Theodor Storms folgen. Thomas Manns erstes Notizbuch aus dem Thomas-Mann-Archiv der ETH Zürich, der Siegelring der Familie Mann, Manuskripte Theodor Storms oder die berühmte Storm'sche Möwentasse: Jedes Exponat erzählt seine eigene Geschichte zur Selbstdefinition der Schriftsteller zwischen Bürgerlichkeit und Künstlertum“, so Dr. Birte Lipinski, Leiterin des Buddenbrookhauses.
Lebenslang hat Thomas Mann die Novellen und Gedichte Theodor Storms zu den prägenden Vorbildern seines eigenen Schreibens gezählt. Von seiner frühen Jugend bis zu seinem Tod beschäftigt er sich mit Theodor Storm und seinem Schaffen. Immer wieder ist es eine brüchig gewordene Bürgerlichkeit der Lebensentwürfe, des Selbst- und Weltverständnisses und der Kunstauffassungen, in der Thomas Mann sich Storm tief verwandt fühlt. Einer grundlegenden Sehnsucht nach bürgerlich geordnetem Leben stehen hier zerbrechende Familienordnungen und gesellschaftlich sanktionierte sexuelle Neigungen gegenüber, der norddeutschen Heimatgebundenheit das politisch bedingte Exil, der Sehnsucht nach Geborgenheit im Glauben ein todverfallener Pessimismus, dem Halt des Bürgerlebens die Abgründe des Künstlers als Abenteurer. So entdeckt der Nobelpreisträger von der Ostsee in Storms Leben und Werk genau die Widersprüche, um die sein eigenes Lebenswerk kreist und erkennt sich selbst im großen Realisten von der Nordsee wieder. Für ihn wie für sich selbst hat er proklamiert, Dichtertum sei „die lebensmögliche Form der Inkorrektheit
Die Ausstellung „Bürger auf Abwegen: Thomas Mann und Theodor Storm“ wird vom 11. September bis 08. November 2015 im Buddenbrookhaus zu sehen sein und ab dem 26. November 2015 in veränderter Form auch im Theodor-Storm-Zentrum in Husum gezeigt. √
Der Begleitband zur Ausstellung »Bürger auf Abwegen: Thomas Mann und Theodor Storm«, herausgegeben von Christian Demandt, Maren Ermisch und Birte Lipinski, ist im Wallstein Verlag erschienen: Ausgehend von Thomas Manns Wieder- und Neuentdeckung des bürgerlich-unbürgerlichen Dichters Storm geht der Begleitband den vielschichtigen Beziehungen zwischen den beiden Schriftstellern nach. Der erste Teil des Katalogs versammelt Texte und Textauszüge Thomas Manns, in denen er sich mit dem Bürger und Künstler Theodor Storm auseinandersetzt. Diesen schließen sich vertiefende Aufsätze von Andreas Blödorn, Christian Demandt, Heinrich Detering, Britta Dittmann, Maren Ermisch, Gerd Eversberg, Regina Fasold, Anna-Lena Markus, Friedhelm Marx, Stephan Stachorski und Philipp Theisohn an.
AusstellungseröffnungDie Ausstellung wird am Sonntag, 29. März, um 11.30 Uhr eröffnet.
Öffnungszeiten01.01.-31.03. | Di-So | 11-17 Uhr01.04.-31.12. | Di-So | 10-17 Uhr
EintrittspreiseErwachsene / Ermäßigte / Kinder:6 / 3 / 2 €
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