Die einzigartige Sammlung des Schmuckmuseums Pforzheim ist seit dem Bestehen des Hauses stetig gewachsen — in erster Linie durch gezielte Ankäufe, hinzu kommen Schenkungen oder gelegentliche Übernahmen aus Nachlässen. Doch wie entsteht überhaupt eine Sammlung? Welches Konzept wird dabei verfolgt? Vor zehn Jahren wurde das Schmuckmuseum neu gestaltet und mit größerer Ausstellungsfläche wieder eröffnet. Seither konnten über 400 Neuerwerbungen die insgesamt rund 10.000 Exponate umfassende Sammlung bereichern. Aus diesen jüngsten Neuzugängen wird nun eine Auswahl zu sehen sein, eine »wilde Mischung«, die alle Genres und Zeiten umfasst. Damit wird nicht nur ein Querschnitt der kostbaren Exponate gezeigt, sondern auch ein Stück Sammlungsgeschichte verdeutlicht.So gibt es einen ptolemäischen Schlangenarmreif aus Ägypten zu entdecken, der 2009, finanziert durch das Pforzheimer Unternehmen forestadent | Bernhard Förster GmbH, bei dem Schweizer Auktionshaus Cahn erworben werden konnte, oder ein Art-déco-Armband von Jean Dunand. »Das Besondere an diesem Armschmuck ist der Eierschaldekor. Da wir etwas Vergleichbares bisher nicht in der Sammlung hatten, waren wir sehr froh über diese Entdeckung im französischen Kunsthandel und darüber, sie mit finanzieller Unterstützung unseres Fördervereins ISSP erstehen zu können«, erläutert Cornelie Holzach, Leiterin des Schmuckmuseums Pforzheim und Kuratorin der Ausstellung. Beides sind Beispiele dafür, wie etwaige Lücken im Bestand systematisch geschlossen werden. Dabei knüpft die Museumsleiterin an die Sammlungstätigkeit ihres langjährigen Vorgängers Fritz Falk an. Insgesamt umfasst die Kollektion des Hauses abendländische Schmuckkunst vom 3. Jahrtausend vor Christus bis heute, bis hin zu zeitgenössischen, künstlerisch gestalteten Stücken. Zum planvollen Sammeln gehört ein weiterer Aspekt, wie Cornelie Holzach erklärt: »Ein Museum soll bewahren. Daher kommen auch solche Objekte in die Sammlung, die einen Zustand oder eine Entwicklung über einen sehr langen Zeitraum dokumentieren.« Und zuweilen kann das Sammeln auch etwas Detektivisches haben — wenn manche Objekte jahrelang verschollen sind und man nie genau weiß, wann sie wieder auf den Markt kommen.
In der Schau sind zu einem Teil frühe, historische Stücke aus Gold, Eisen oder Bronze zu bewundern, als Schmuck noch eng mit magischen und mythischen Prinzipien wie Fruchtbarkeitsmagie und Jagdzauber verbunden war. Die griechischen Schmuckstücke aus klassischer und hellenistischer Zeit haben ein hohes handwerkliches Niveau. Fibeln und Gewandspangen sind noch bis ins späte Mittelalter bedeutend. Aus dieser Zeit, als die Goldschmiedekunst im Dienste des Adels und der Kirche stand, sind allerdings nur wenige Stücke erhalten. Das 16. Jahrhundert läutet dann wieder eine Blütezeit ein, und in den Stadtzentren werden prächtige Schmuckstücke für das
wohlhabende Bürgertum gefertigt. Damals entstand beispielsweise ein mit Diamanten, Rubinen und Perlen besetzter, kostbarer Papageienanhänger, der, nachdem er lange als Dauerleihgabe zu sehen war, über eine Schenkung der Werner Wild Stiftung endgültig in die Sammlung aufgenommen werden konnte.
Die moderne Sammlung wurde seit 1967 kontinuierlich weiterentwickelt und seitdem ebenfalls permanent gezielt erweitert. »Ende der 1960er begann sich zeitgenössischer Schmuck als Genre der freien Kunst zu etablieren und als Unikatschmuck stärker künstlerische Aspekte zu entwickeln. In diesem Bereich sammeln wir weltweit, von Europa bis Japan oder Australien. Oft lassen sich dabei tolle Entdeckungen machen«, sagt Cornelie Holzach. Von zeitgenössischer Schmuckkunst wird eine große Bandbreite zu sehen sein: Saskia Detering beispielsweise arbeitet zwar mit Metall in alter Goldschmiedetradition, ist dabei aber sehr intuitiv und schafft große Objekte. Die Österreicherin Anna Heindl hat sich auf Ketten als Kunstobjekte spezialisiert, die fast skulptural wirken und amorphe Formen nachbilden, aber dennoch tragbar und sehr dekorativ sind. »Wir kümmern uns auch intensiv um die Absolventen des Studiengangs Schmuck und Objekte der Alltagskultur an der Hochschule Pforzheim und nehmen interessante Tendenzen von dort gerne in unsere Sammlung auf, darunter Arbeiten von Mirjam Hiller oder dem langjährigen Dozenten Jens-Rüdiger Lorenzen«, erläutert Cornelie Holzach.
Gekauft werden Stücke zeitgenössischer Schmuckkünstler dann, wenn ihre Arbeiten eine innovative künstlerische Auffassung zum Ausdruck bringen. Es gebe zwar immer wieder Modeerscheinungen, aber dank der Erfahrung würde sich ein Blick dafür einstellen, was bleibt. »Auch wenn wir eine Person neu in die Sammlung aufnehmen, versuche ich Stücke vom Anfang zu kaufen, um den Werdegang zu zeigen«, erklärt die Museumsleiterin.
Für die Erweiterung der modernen Sammlung gibt es seit 1998 zudem den nahezu jährlichen Förderankauf »Junge Schmuckkunst im Museum« durch den Förderverein ISSP. Dadurch werden zugleich junge Schmuckkünstler mit einer eigenständigen und innovativen Auffassung auf ihrem weiteren Weg im Berufsleben begleitet.
Eine wilde Mischung erwartet den Besucher, wild in Bezug auf die Genres vom kleinen Ring bis zur überdimensional großen Kette, von der Brosche bis zum Armreif oder dem zarten Anhänger — es ist alles dabei. Und wild auch in Bezug auf die Zeiten, denn in den vergangenen zehn Jahren wurde die Sammlung sowohl um historische als auch um moderne Stücke erweitert: eine Zeitreise durch alle Schmuckgattungen.