Anlässlich der Wiedereröffnung des erweiterten Umba us zeigt das Museum Liaunig in der großen Ausstellungshalle sowie im daran anschli eßenden Grafikraum die von Hans- Peter Wipplinger kuratierte Sonderschau WIRKLICHKEITEN. Malerei gegen den Strich. Mit rund 250 Werken – Gemälden, Zeichnungen, Druckgrafiken und skulpturalen Arbeiten – handelt es sich bei dieser Präsentation um den bi sher umfassendsten Überblick zu der losen Künstlergruppe WIRKLICHKEITEN , die sich Ende der 1960er-Jahre aus Wolfgang Herzig (*1941), Martha Jungwirth (*1940), Kurt Koch erscheidt (1943-1992), Peter Pongratz (*1940), Franz Ringel (1940-2011) und Robe rt Zeppel-Sperl (1944-2005) zusammensetzte.Ihren ersten gemeinsamen Auftritt unter dem Titel WIRKLICHKEITEN hatten die sechs heterogenen Künstlercharaktere 1968 in der Wiener S ecession. Konzipiert von Otto Breicha, wurde die Ausstellung ein unerwarteter Erf olg. Vom „Debüt der Handke- Generation für die österreichische Bildkunst“ war d ie Rede, von einer „Art neuer CoBrA- Gruppe“. Entgegen der damals vorherrschenden Stilri chtungen der Wiener Schule des Phantastischen Realismus und des Abstraktivismus, s owie entgegen aufkommender avantgardistischer Tendenzen wie Minimal Art und Ko nzeptkunst, welche die Malerei für überholt erklärten, verfolgten die WIRKLICHKEITEN eine „offene“ Malerei jenseits akademischer Dogmen und modischer Diktate. Ob gegen ständlich, gestisch-figural oder abstrakt-expressiv: Die sechs Protagonisten überras chten das Publikum mit Gemälden und Zeichnungen von intensivem Kolorit und eindring lich-persönlichen Bildfindungen, die gleichwohl berührten wie schockierten. „Das Wirklic he ist wirklich in der Einbildung und das Eingebildete so wirklich, wie es durch die Male rei plausibel wird“, so Otto Breicha in einem Textbeitrag zum Phänomen der WIRKLICHKEITEN .
Die Werkauswahl der WIRKLICHKEITEN -Ausstellung im Museum Liaunig konzentriert sich auf die Hauptphase der Formation um 1968. Sign ifikante Beispiele aus dem Frühwerk wie aus späteren Werkphasen der Künstler w eiten ausschnitthaft den Blick auf das jeweilige Œuvre. Auftakt und Gelenk der Ausstel lung bildet ein gemeinsamer Hauptsaal, von dem aus sechs räumlich separierte un d großzügig konzipierte Solopräsentationen beschritten werden können. Den t eils großformatigen Gemälden in der Halle steht im grafischen Kabinett eine themati sche Verdichtung gegenüber. Aspekte wie Pop, Paraphrase und ironisches Zitat, Comic und Kitsch, Sex und Sentimentalität werden hier anhand von Zeichnungen und Radierungen ebenso exemplifiziert, wie stilistische Einflüsse von Informel und Irrenkunst.
Zusätzlich verlebendigen Plakate, Fotografien und a rchivalische Materialien jene Jahre zwischen 1968 und 1972, in denen die WIRKLICHKEITEN international in Erscheinung traten. Zahlreiche Werke und historische Dokumente aus Künstlerarchiven, privaten und institutionellen Sammlungen wie dem Essl Museum Klo sterneuburg/Wien und der Sammlung der Kulturabteilung der Stadt Wien – MUSA ergänzen die umfassende WIRKLICHKEITEN -Sammlung des Museums Liaunig. Zahlreiche Exponate dieser Schau werden nicht nur erstmals öffentlich präsentiert, s ondern auch zum ersten Mal publiziert: Eine mit rund 350 Farbabbildungen reich illustriert e und inhaltlich so fundiert wie unterhaltsame Begleitpublikation lädt ein zur verti efenden Lektüre. Neben Textbeiträgen von Silvie Aigner, Brigitte Borchhardt-Birbaumer, D aniela Gregori, Susanne Längle, Rainer Metzger, Thomas Mießgang, Florian Steininger und Hans-Peter Wipplinger finden sich darin auch historische Texte von Otto Breicha und Alfred Schmeller sowie Beiträge von literarischen Wegbegleitern der WIRKLICHKEITEN wie Peter Handke, Elfriede Jelinek und Friederike Mayröcker – und nicht zuletz t von den Künstlern selbst.
Kurator: Hans-Peter Wipplinger