Über den Zeitraum eines Jahres zeigt die Staatsgalerie Stuttgart in monatlichem Wechsel ausgewählte Filme und Videos von internationalen jüngeren wie etablierten Künstlern, die dokumentarisch, experimentell, essayistisch oder narrativ arbeiten. Unter dem Titel »Silent« Cinema widmet das Museum eine erste Reihe Filmen und Videos, die sich bewusst auf ihre Bilder konzentrieren und Ton als Möglichkeit ausklammern. Auch wenn Kunst immer von Technologien ihrer Zeit bestimmt ist, so setzt sie diese mitunter absichtlich nicht ein oder greift auf ältere Produktionsweisen und Vorführkonventionen zurück. Ohne Sprache auszukommen, scheint Filme und Videos zudem universell verständlich zu machen. Die Anführungsstriche im Titel deuten an, dass auch Kino ohne Ton oft nicht stumm war, sondern von Livemusik begleitet.Was kann in aktueller zeitbasierter Kunst passieren, wenn auf Schallbegleitung verzichtet wird? Wenn es still um einen ist und allein die Bilder wirken, berühren und herausfordern? Diesen Fragen geht »Silent« Cinema nach und zeigt Arbeiten, in denen aus Stille etwa Staunen, Momente anderer Intimität oder Gegenwelten entstehen.
Bis 1.3.2015 ist Margaret Salmons Film »Hyde Park« (2009) im Film- und Videoraum der Staatsgalerie zu sehen. Aufwendige Film-Sets, Beleuchtung, Drehbücher, Produzenten und Schauspieler sind für Margaret Salmon keine Notwendigkeit. Die Künstlerin, geboren 1975 in Suffern/New York, arbeitete zunächst als Fotojournalistin in New York und London. Sie filmt ausschließlich mit einer Bolex-Kamera, wie sie in den 1930er-Jahren vor allem für Dokumentationen und journalistische Beiträge verwendet wurde. Mit Handkurbel und schneller Einfädelautomatik ermöglicht sie ihr, unabhängig zu arbeiten. So handgeführt, oft ohne Ton, erinnern ihre aufgezeichneten Schwarzweißbilder an alte Familienaufnahmen und berühren wie ferne Erinnerungen obgleich sie der Gegenwart entstammen.
Margaret Salmons Film »Hyde Park« indes basiert tatsächlich auf Material aus ihrem eigenen Archiv. Drei Tage folgte sie mit ihrer Kamera Menschen bei ihren Freizeitbeschäftigungen in der weitläufigen Grünanlage im Zentrum Londons: Spaziergängern, Joggern, Radfahrern. Menschen, die sich sonnen, Zeitung lesen, im Gras dösen. Kindern, die Fußball spielen, Boote über den See navigieren, eingehakt über den Rasen hüpfen.
Salmon liegt daran, »einen Moment zu zelebrieren und etwas zu schaffen, das noch authentischer ist als die Realität«. Mit ihren Filmen, in denen die Charaktere eine seltene Intimität mit der Kamera teilen und sich emotionale Kraft auf bewegende Weise mit Dokumentation verbindet, bezieht sich die Künstlerin bewusst auf Traditionen des Kinos von ethnografischem Film, Cinéma Vérité, Direct Cinema oder italienischem Neo-Realismus.
VIDEOBOXVorschau der Reihe »Silent« Cinema bis Juni 2015:März: David Claerbout, Oil workers (from the Shell company of Nigeria) returning home from work, caught in torrential rain (2013)April: Christoph Keller, Anarcheology (2014)Mai: Sarah Browne, Carpet for the Irish Pavilion at the Venice Biennale (2009)Juni: Rachel Reupke, Wine & Spirits (2013)
Die Reihe »Silent« Cinema wird ermöglicht durch Wolfgang Elkart, Dr.h.c. Albrecht Hauff, Prof. Jürgen Hubbert, Prof. Dr. Wilhelm Rall, Dr. Hans Seiter, Julia Herzogin von Württemberg